Das künstlerische Arbeiten in der Fremde hat eine lange Tradition: Waren es früher Herrschaftshäuser, die ihre Talente auf Reisen schickten, so übernehmen heute öffentliche Stellen diese wichtige Fördermaßnahme. Das Auslandsatelier-Programm des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Österreich ist eine der langjährigsten und konsequentesten Unterstützungen in diesem Kontext. Sechszehn Atelierplätze auf Zeit, zwischen 160 und 11.000 km weit entfernt, hat es derzeit in dreizehn destinations weltweit zu vergeben, und jedes Jahr bespielen rund 50 Künstler:innen diese Werk- und Wohnräume neu.
Mit manchen Orten teilt Österreich ein kulturelles Erbe, andere repräsentieren die pure Fremde. Einige Destinationen empfangen die Künstler:innen mit Kooperations-Programmen, andere gilt es auf eigene Faust zu erkunden. Jeder Aufenthalt und jedes Auslandsatelier erzählt eine Geschichte. Mit dem diary und unserer Instagram Residency geht AWAY auf Spurensuche nach diesem Lokal-Kolorit, berichtet von den Arbeitsbedingungen und Erfahrungen der aktuellen Stipendiat:innen.
mehr lesenBegonnen hat alles in den 1970er-Jahren, und Rom war neben Paris eines der ersten Auslandsateliers im Programm des BKMOES. Seither sind viele neue Standorte dazugekommen, andere wie Prag, Berlin, Krakau, Chicago, Fujino, Rom und Krumau dagegen wieder aufgelassen worden. Ganz neu wurden Ateliers in Brüssel und Herzlia/Israel eröffnet, und ab 2018 wird es auch eines in Moskau geben.
An welchem Ort ein Auslandsatelier installiert und eröffnet wird, hängt von vielen Parametern und Variablen ab. Es sind künstlerische, logistische, organisatorische und auch wirtschaftliche Überlegungen, welche die Standortwahl bestimmen und sich ihrerseits im Laufe der Zeit wie das Programm selbst auch immer wieder verändert haben.
Neben der geografischen Lage und der künstlerischen Relevanz zählt vor allem die Möglichkeit, vor Ort mit renommierten Kunst-Institutionen kooperieren zu können, wodurch die Auslands-Stipendiat:innen von einem kontinuierlichen Programm und jeder Menge Synergie-Effekten profitieren können. Andere destinations funktionieren bewusst autonom, weil ihre Standorte nur auf Eigeninitiative erkundet werden können oder es bis dato keine interessanten „Kooperationsmöglichkeiten“ gibt.
Alle Auslandsateliers sind nach Sparten definiert, wodurch der bildenden Kunst auf den ersten Blick ganze zwölf der 18 Ateliers zufallen, während für die künstlerische Fotografie vier und die Video- und Medienkunst zwei Ateliers vorgesehen sind. Diese Aufteilung ist zum einen historisch gewachsen, denn bildende Künstler:innen waren die ersten, denen das BMKOES Auslandsateliers zur Verfügung gestellt hat. Zum anderen stellt die bildende Kunst als Überbegriff den größten Schwerpunkt im Förder-Portfolio der Institution dar und es gibt hier die meisten Einreichungen. Zu Zeiten, in denen die Kunst selbst jedoch so manche Genregrenze verwischt, lockern sich natürlich auch die einzelnen Atelier-Schwerpunkte.
Mancherorts sind es aber ganz pragmatische, räumliche Gegebenheiten, die für eine entsprechende Sparten-Definition sprechen, weil sie beispielsweise – im Erdgeschoss gelegen – das Arbeiten mit schweren Materialien erlauben, während ein New Yorker Appartement im 55. Stock dafür wohl wenig geeignet wäre; weil konzentrierte Recherchetätigkeiten in einer gewissen Abgeschiedenheit besser aufgehoben sind und die Umsetzung technisch anspruchsvoller Arbeiten einer gewissen Ausstattung bedarf.
Auch in ihrer Organisation sind die Auslandsateliers des BMKOES eine bunt gemischte Gruppe – die beiden Foto-Destinations in New York und London sind als Immobilien Eigentum der Republik, in Mexico City wird das Atelier am Botschaftsgelände vom Außenamt zur Verfügung gestellt und andere Objekte werden für den Zweck der künstlerischen Residency angemietet.
Dass ein solch heterogener Mix aus unterschiedlichen Rahmenbedingungen, die Erwartungen und Ansprüche der Künstler:innenschaft sowie die Gesamt-Organisation aus beiden Bereichen eine sehr komplexe Unternehmung darstellen, ist augenscheinlich. Neben den Leistungen der öffentlichen Hand, dem Engagement und Verständnis für die Sache und guten Kooperationspartner:innen vor Ort ist das System Auslandsatelier vor allem auf die Zusammenarbeit mit der Künstler:innenschaft angewiesen. Sind es also die Künstler:innen selbst, die für ein Fortbestehen des Programms mitverantwortlich sind? Im diary und auf unserer Instagram Residency kommen die Stipendiat:innen direkt und unzensuriert zu Wort. Vielleicht beantworten sie dabei auch diese Frage.
weniger lesen#awayresidency richtet sich als Einladung an jene KünstlerInnen, die am Auslandsatelier-Programm des Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Österreich teilnehmen und aktuell eine der internationalen destinations bespielen. Die virtuelle Residency ermöglicht es diesen StipendiatInnen trotz ihrer geographischen Abwesenheit durch Übernahme unseres Instagram Profils artistsaway für je eine Woche sichtbar zu sein und uns völlig unzensuriert und frei an ihrem Auslandsaufenthalt und der Kunstproduktion in der Fremde teilhaben zu lassen. Den „Takeover“ eines Accounts nicht nur zuzulassen, sondern aktiv anzubieten, ist eine beliebte Aktivität in der institutionellen Kunstlandschaft geworden. Man darf gespannt sein, welche immer neuen Räume sich in diesem Anbieten damit eröffnen.
Die Kunst ist längst in der digitalen Welt angekommen – nicht nur auf Seiten der Produktion, auch auf der Rezeptions- und Vermarktungsebene werden ihr durch mannigfache Online-Schauplätze und Kanäle völlig neue Möglichkeiten geboten.
Ob sie sich damit selbst verkauft, ihre Originalität verwässert und auf Supermarkt-Niveau abflacht oder sich vielmehr eine neue Selbständigkeit erobert, von starren bis repressiven Verkaufs-Modellen befreit, neue Zielgruppen generiert und dadurch ein immens größeres Publikum erreicht, wird allerorten heftigst diskutiert.
Neben zahlreichen „How to-Ratgebern“ kursieren im Netz reihenweise Geschichten über prominente KunstkäuferInnen, die mit der „Online-Abkürzung“ eine vermeintliche Unabhängigkeit vom Kunstmarkt demonstrieren. Und tatsächlich geben immer mehr kunstaffine Menschen an, sich auf Facebook, Instagram & Co über aktuelle Trends und Entwicklungen zu informieren. So mancher Shooting-Star habe seine Entdeckung der virtuellen Präsenz zu verdanken und endlich, heißt es, könnten KünstlerInnen ihr „Geschäft“ selbst in die Hand nehmen.
KünstlerInnen, KuratorInnen und SammlerInnen sind gleichermaßen in sozialen Netzwerken und Social Media-Tools unterwegs, um sich zu informieren und auf dem neuesten Stand zu bleiben. Ganz eindeutig haben Instagram & Co durch ihre niederschwellige Perzeptionsmöglichkeit eine starke Entdecker- und Multiplikations-Funktion, die Galerien und Kunstmessen wohl nicht ersetzen, deren Arbeit künftig jedoch immer mehr beeinflussen wird. Wo Follower durch konsequente Präsenz und Geschmacks-Demonstration mithilfe von Likes zu Influencers werden können, darf auch auf der anderen Seite jede Menge „Luft nach oben“ vermutet werden.
„It is hype for sure, which has negative and positive effects. But if your artwork isn’t represented on Instagram these days, do you exist?“ zitiert Elena Soboleva in ihrem Artikel „How collectors Use Instagram to Buy Art“ für Artsy.net einen Sammler aus New York.
AWAY greift mit seiner Instagram Residency artistsaway das Spannungsfeld zwischen pro und contra auf und gibt sich eindeutig als innovative Plattform, auf der man zeigen kann, woran man gerade arbeitet, der man sich aber auch bewußt verweigern kann. Was sonst gehackt und gekapert werden muß, stellt AWAY temporär und unzensuriert als „Einladung zum Ausloten“ zur Verfügung.
Die virtuelle Residency besteht um zukünftige StipendiatInnen mit ihren VorgängerInnen, NachfolgerInnen und allen Interessierten zu vernetzen. Folgen Sie dieser künstlerischen Freiheit auf Instagram unter dem Account artistsaway und dem Hashtag #awayresidency.
Auf #awayguestresidency verlinken wir AWAY erneut mit den Förderaktivitäten der Bundesländer. StipendiatInnen aus Salzburg und der Steiermark nehmen uns mit auf ihre Residency und zeigen uns eine Woche lang, was sie wollen und an ihren internationalen destinations bemerkenswert finden.
Ein Tagebuch ist eine sehr persönliche Geschichte. Wer eines führt, will etwas aufheben und bewahren – Besonderes wie Alltägliches werden darin für die Erinnerung dokumentiert und spiegeln eine Art privater Zeitgeschichte. Wir haben KünstlerInnen, die in den letzten Jahren auf Residency waren, gerade davon zurückgekehrt sind oder aktuell eines der Auslandsateliers des BMKOES bespielen gebeten, uns in Text und Bild einen kleinen Einblick in ihren persönlichen Arbeitsalltag zu gewähren. Einen Abriss dessen zu skizzieren, womit sie sich beschäftigen, wohin ihre Gedanken reisen und wie es ihnen so geht in der fremden Umgebung.
mehr lesenAber auch, was es an praktischen Dingen rund um ihre Auslandsateliers zu wissen gibt und worauf sich ihre nachfolgenden KollegInnen vorbereiten, einstellen und freuen können. Es sind Aufzeichnungen, die man normalerweise nicht ohne weiteres teilt. Wir freuen uns, diese privaten Dokumentationen hier veröffentlichen zu dürfen. Sie sind ganz unterschiedlich, aber allesamt originär und unzensuriert. Manche KünstlerInnen haben sich bewußt gegen eine Teilnahme am AWAY diary entschieden – ein Verweigern, das wir uneingeschränkt akzeptieren. Vielleicht haben wir andere mit unserem Wunsch, an ihrer Auslandsatelier-Erfahrung teilhaben zu wollen, erst dazu inspiriert, sie überhaupt aufzuschreiben.
weniger lesenin Quarantäne, in der ich ungestört für mein Projekt recherchieren kann. Das Atelier ist vor Kurzem neu renoviert worden, fühle mich sofort heimisch. Es ist mehr als genug Raum vorhanden, um konzentriert arbeiten zu können.
und beschloss, zu Fuß nach Hause zu gehen. Fast drei Stunden wanderte ich durch die Nacht. Ab und zu begegnete mir ein Wächter am Rande eines Parks und ich beobachtete eine Gruppe von jungen Leuten in Anzügen, wie sie einen Betrunkenen über ihren Köpfen trugen.