Moskau, Russland04/18–06/18

Vasilena Gankovska

Monumental ist das Wort, das mir als erstes zu Moskau einfallen würde. Breite Straßen, riesige Bauten aus unterschiedlichen Zeiten, unendlich scheinende Wohngegenden („Mikrorayons“ genannt) und in der Mitte davon ein überschaubarer und extrem sauberer Stadtkern. Es fällt schnell auf, dass in den letzten Jahren sehr viel in puncto Stadtentwicklung getan wurde. Das aufmerksame Auge kann trotzdem kleine Widersprüchlichkeiten und Unstimmigkeiten finden, die mich persönlich jedes Mal zum Schmunzeln brachten. Um die klassischen spät-sozialistischen Plattenbausiedlungen zu erleben, sind die zahlreichen peripheren Wohngegenden zu empfehlen, welche durch die U-Bahn-Linien erschlossen sind. Auch dort sind die großen Stadtentwicklungspläne sichtbar, trotzdem ist das architektonische Erbe der 1990er-Jahre dominierend – schnelllebig, bunt und irgendwie geschmacklos.

Im letzten Monat der Residency war ich im Rahmen eines Projekts – initiiert von Simon Mraz, Direktor des Österreichischen Kulturforums in Moskau – in vielen Stadtrandbezirken unterwegs. Jedes Mal, wenn ich aus der U-Bahn an die Oberfläche gekommen bin, erwartete mich eine ähnliche, aber doch immer einzigartige Szenerie. Am schlimmsten fand ich es, inmitten eines Shopping-Centers zu landen, wo alles unpersönlich und global erscheinen sollte; am schönsten dafür die kleinen Teiche – ein Anziehungspunkt für Angler (fast immer Männer) oder alte Frauen, welche die Tauben gefüttert haben.

Eine ähnliche Stadtidylle versuchte man im Park Zaryadye zu rekonstruieren, aber das Einzige, was dort tatsächlich gelingt, sind die Selfies an der Spitze der Plattform über den Moskva Fluss.

Groß und monumental erscheint auf den ersten Blick auch das Atelier des CCI Fabrika, das sich am Rand des Stadtzentrums im sogenannten Basmanny Bezirk befindet. Meine ersten Tage hier habe ich damit verbracht, mein Grätzel zu erforschen. Die Gegend von Fabrika ist historisch interessant – in unmittelbarer Nähe befinden sich eine konstruktivistische Arbeiter:innensiedlung sowie einige kleine, historisch relevante Objekte. Stadteinwärts gibt es einiges zu sehen – das kleine Café Paros (vis-a-vis der Elochovskaya Kirche) oder den Baumann-Garten zum Beispiel. Nach den drei Monaten Beschäftigung mit den unterschiedlichsten Stadtteilen Moskaus habe ich die Gegend der Fabrika und den Basmanny Bezirk richtig ins Herz geschlossen.


https://vasilenagankovska.com/

 

1. Mein Aufenthalt im Atelier in einem Wort:
  produktiv
2. Das fehlt mir/das vermisse ich, seit ich nicht mehr dort bin:
  Das Oberlicht-Fenster im Atelier sowie die großen breiten Straßen. Auch die Tatsache, dass das Personal in den kleinen Cafés sehr aufgeschlossen und höflich ist.
3. Dos & Don’ts an diesem Ort:
  Generell habe ich mich in der Stadt wohlgefühlt. Wenn die Residency im Sommer stattfindet, unbedingt einen der vielen Badeseen rund um Moskau besuchen. Es gib auch kleine Teiche an der Moskauer Peripherie, die aber zum Baden nicht geeignet sind, trotzdem lohnt sich der Besuch, um die Badegewohnheiten der Stadtbewohner:innen zu erforschen. Für die Winterzeiten gibt es bestimmt Alternativen.
4. Wo man super Arbeitsmaterial kaufen kann:
  Es gibt einige Geschäfte wie Peredvizhniki (Передвижники) oder Krasnyi Karandasch (Красный Карандаш). Filialen von beiden befinden sich in der Nähe von Fabrika. In jedem großen Shopping Zentrum gibt es Geschäfte für Elektronik, wo Speicherkarten, Kabel etc. besorgt werden können. Props und Objekte aus der Sowjetzeit finden sich am Flohmarkt in Izmailovo.
5. Das sollte man unbedingt von zu Hause mitnehmen:
  Das Einzige, was ich tatsächlich von Wien mitgebracht habe, waren die Filter für die Brita Kanne, die mich mit Trinkwasser versorgt hat. Alles andere gibt es in Moskau zu kaufen.
6. Zum Thema Kunst an meinem Residency-Ort:
  Es wird sehr schnell klar, dass die Szene sehr überschaubar ist. Es gibt die großen, öffentlich finanzierten Institutionen, dann die Privatmuseen wie GARAGE oder Institutionen wie V-A-C Foundation (sie eröffnet ihren Standort 2019); auf der anderen Seite einige kleine Initiativen und artist-run-spaces wie Galerie Elektrozavod oder der Raum des Kollektivs ARXIV. Sehr präsent sind auch die Kunstausbildungsstätten und private Schulen wie das ICA Moscow oder die British Higher School for Art and Design. Viele spannende Projekte finden an Orten wie dem CCI Fabrika statt, wo auch unser Atelier ist. Diese werden oft von unabhängigen Kurator:innen organisiert und bieten ein gutes Rahmenprogramm sowie Vernetzungsmöglichkeiten für die Residency.
7. Rund um das Auslandsatelier – hier kaufe ich ein, hier trinke ich Kaffee und hier gibt’s den besten Mittagsteller in Laufdistanz:
  Während meines Aufenthalts wurde das kleine Café Brew auf dem Gelände von Fabrika eröffnet. Espresso oder Filterkaffee finden sich für einen erschwinglichen Preis. Während der Wartezeit gibt es auch das obligatorische Smalltalk auf Russisch mit der Barista, einer netten und neugierigen Person. Es gibt eine relativ neue Supermarkt-Kette, die VKUSVILL heißt, mit regionalen oder importierten Bioprodukten von kleinen Hersteller:innen. Dort gibt es auch Fertigprodukte in guter Qualität. Mittagsessensplätze sind in der unmittelbaren Umgebung nicht einfach zu finden, aber in der Nähe der Baumanskaya U-Bahn-Station gibt es ein kleines Restaurant mit kaukasischer Küche.
8. Den Tag lasse ich häufig hier ausklingen (Dinner, Drinks und bester Sound):
  An der Pokrovka Straße, welche mit zwei Buslinien von Fabrika schnell zu erreichen ist, befinden sich einige Bars und kleine Restaurants mit internationaler Küche. Auch in den kleinen benachbarten Gassen ist einiges zu entdecken. Für die Sommerzeit sind die langen Stadtspaziergänge am Abend ein Muss. Pluton und NII (im Sommer auch Outdoor) sind die Locations, die für die Zeit nach Mitternacht infrage kämen. Dort treffen sich auch viele aus der lokalen Kunstszene.
9. Was ich eigentlich gerne schon am Beginn meiner Residency über das Atelier gewusst hätte:
 


Website Künstler:in:              vasilenagankovska.com