Herzliya (Tel Aviv), Israel07/18–09/18

Wilhelm Scherübl jr.

Als Labyrinth entworfen, in dem man sich verlieren soll, steht die ehemals größte Busstation der Welt in Tel Aviv. Sie sollte eine Million Menschen am Tag befördern; das entsprach zur Zeit der geplanten Eröffnung in etwa einem Drittel der Bevölkerung Israels. Bis heute ist daraus nicht wirklich etwas geworden. Die Busstation war eine Fehlinvestition, die zig Male ihren Investor wechselte. Dadurch entstand ein unüberschaubares Gebäude aus unterschiedlichsten Stilen und Adaptionen in der Bauzeit von ca. dreißig Jahren. Von illegalen Nagelsaloons, Spielzeug-Waffen, einem Club und Verschwörungstheorien beinhaltet das Gebäude alles. Ein Ort, an dem man sich leicht verliert und plötzlich eine Ecke entdeckt, die man noch nicht gesehen hat. Auch nach zahlreichen Aufenthalten und Herumstreunen dort war mir das schiere Ausmaß nicht bewusst. Zahlreiche Ebenen befinden sich auch noch unter den öffentlichen Bereichen.

Beginnen wir in der untersten Ebene, dem Bereich des Atombunkers, der als solcher nicht mehr genützt wird oder vielleicht doch noch einer geheimen Militär-Einheit hinter „der“ verschlossenen Tür als Kommandozentrale dient. Diese Tür könnte aber auch der Zugang zu den laut „Verschwörungstheorie“ geheimen Stockwerken sein, die sich noch unter den offiziellen Geschossen befinden. Sie könnte aber auch der Anschluss zum Untergrund-Netzwerk an Tunneln sein, die sich quer durch Tel Aviv ziehen. Es gibt viele Möglichkeiten, bestätigt ist nichts.

Wandert man über die Rampen weiter nach oben, vorbei an einer der größten Fledermaus-Kolonien der Stadt, welche die Station ihre Heimat nennen, erreicht man die Ebene, auf der sich das leerstehende Kino befindet, sehr glamourös mit goldenem Brunnen und Spiegelflächen ausgestattet. Zur Eröffnung erwartete man Großes – geschlossen wurde es aufgrund mangelnden Erfolgs bereits nach ein paar Monaten. Seither schlummert es unter der Busstation. Hin und wieder wird es für andere Zwecke wie Theater- oder Filmvorführungen verwendet, eine kleine Fehlinvestition innerhalb der großen.

Das Gleiche passiert in den darüberliegenden Ebenen, die eigentlich als Einkaufsflächen geplant waren, meistens jedoch leer standen. Sie werden jetzt als Ateliers und Ausstellungsräume verwendet. Bei der Auswahl der Exponate wurde das Flair der Umgebung bewusst oder unbewusst aufgenommen. So erinnern sie oftmals an Requisiten aus Horrorfilmen. Sie passen sich perfekt in die Umgebung ein, mit ihren abgeklebten Schaufenstern, dem Quietschen und Rasseln des Gebäudes. Das perfekte Set für einen Horrorfilm. In Israel leider nicht wirklich zu gebrauchen – es gibt davon nur fünf. Den fiktiven Schrecken braucht man nicht, wenn man einen Konflikt vor der Haustüre hat und die Geschichten dazu in den Medien verbreitet werden.

Doch nicht alles in der Busstation ist gescheitert. Auf einer Ebene befindet sich der Filipino Boulevard, mit Reisebüros die Cash annehmen, einem philippinischen Wochenmarkt, der exotische Lebensmittel anbietet, die man sonst nirgends im Land bekommt, oder Damen, die die Möblierung der Busstation in Nagelstudios umgewandelt haben, natürlich nur so semi-legal. Ein Mikrokosmos im großen Konstrukt, der einen starken Kontrast zur sonstigen Station bietet. Genauso wie „The Block“, ein Club, der die Station auch außerhalb der Busbetriebszeiten mit seinen tiefen Bässen belebt.

Die Station inmitten der Stadt spiegelt für mich auch so vieles des Landes wider. Viele kleine Inseln und Ecken, die alle unterschiedlich sind, die nicht zueinander passen, aber trotzdem gemeinsam funktionieren. Fehlentscheidungen, die man nicht so schnell rückgängig machen kann, die das Land aber prägen. Die Anpassung an Situationen, die Partyszene … und so vieles mehr.

1. Mein Aufenthalt im Atelier in einem Wort:
  Unterschiede
2. Das fehlt mir/das vermisse ich, seit ich nicht mehr dort bin:
  das Essen
3. Dos & Don’ts an diesem Ort:
  Dos – Sich durch die verschiedensten Restaurants testen, vor allem die vegetarischen und veganen Spots sind Wahnsinn.
4. Wo man super Arbeitsmaterial kaufen kann:
  Ich habe keine Materialien benötigt, deswegen besser auf die anderen Berichte aus Israel beziehen.
5. Das sollte man unbedingt von zu Hause mitnehmen:
  Nichts – Es gibt alles, nur meistens etwas teurer.
6. Zum Thema Kunst an meinem Residency-Ort:
  Jeden Donnerstag einfach durch die Stadt streunen und die Openings besuchen.
7. Rund um das Auslandsatelier – hier kaufe ich ein, hier trinke ich Kaffee und hier gibt’s den besten Mittagsteller in Laufdistanz:
  https://goo.gl/maps/395NK6pYuP62
8. Den Tag lasse ich häufig hier ausklingen (Dinner, Drinks und bester Sound):
  Entweder gemütlich am Strand, 5 min mit dem Rad von der Wohnung entfernt. Oder in der Stadt bei einem guten Essen oder in einem der zahlreichen Clubs.
9. Was ich eigentlich gerne schon am Beginn meiner Residency über das Atelier gewusst hätte:
  Es gab einige Sachen, die man erst herausfinden musste, aber im Endeffekt funktioniert alles recht einfach, wenn man damit vertraut ist.


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