Paris, Frankreich04/19–06/19

Andrea van der Straeten

Als ich mit meinem Koffer bei der Notre Dame aus der Metro stieg und sah, dass keine endlose Schlange vor der Kathedrale einem Besuch im Weg stehen würde, konnte ich nicht voraussehen, dass dies meine einzige Chance gewesen wäre, sie auch von innen zu sehen. Nicht mal zwei Wochen später steht eine große und giftig gelbe Rauchwolke über Notre Dame und ich stehe zufällig direkt gegenüber. Fassungslos schaue ich – wie all die zusammenströmenden Leute –, wie das Feuer aus der Rosette schlägt, den Dachstuhl auffrisst und den spitzen Turm einstürzen lässt.
Und in den folgenden Wochen kann man an den Diskussionen um die „richtige Art“ des Wiederaufbaus, seine Notwendigkeit und die sich ins Spiel bringenden Geldgeber und Entscheidungsträger viel von den komplizierten und konfliktgeladenen Situationen in Frankreich und Paris im Besonderen erfahren. Am Wasser der Seine bin ich dann sehr viel gesessen. Den Eiffelturm habe ich nur aus der Ferne betrachtet; er ist aus Stahl. Vielleicht gehe ich bei einem nächsten Aufenthalt in Paris näher ran.


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1. Mein Aufenthalt im Atelier in einem Wort:
  formidable
2. Das fehlt mir/das vermisse ich, seit ich nicht mehr dort bin:
  Dass man eine Straße sehr oft entlanggehen kann und beim nächsten Mal immer noch etwas entdeckt, was man vorher nicht wahrgenommen hat – Rhabarbermarmelade – die vielen guten Märkte, nicht nur donnerstags und samstags bei der Bastille, auch auf der Place d’Aligre (ist günstiger und hat am Samstag auch einen Flohmarkt dazu), und dass man jeden Tag auf einem Markt in andren Vierteln einkaufen kann – die Höflichkeit der Pariser – die 2 winzigen Schlüssel zur Cité und zum Studio, die einem nach dem Auf- und Abschließen immer entgegensprangen (magnetisch?) und so viel leichter herumzutragen sind als der eigene schwere Schlüsselbund mit allem, was daran hängt – das große Studio, Platz zum Arbeiten, Ruhe und Konzentration – die tollen Montags-Konzerte im Auditorium der Cité, die Kolleginnen und Kollegen, die jetzt noch dort sind, und die zwanglosen Treffen – und noch viel mehr.
3. Dos & Don’ts an diesem Ort:
  Die Zeit in Paris (wie an andren Stipendienorten auch) dazu nutzen, sich selbst und die eigene Arbeit in einem anderen Kontext anders zu sehen, vielleicht etwas zu verändern – Kann für manche ein Do sein und für andere ein Don’t. Es hält beweglich.
4. Wo kann man super Arbeitsmaterial kaufen?
  Überall. Vieles ist von andren Kolleg:innen schon genannt worden.
Für das Arbeiten mit Fotografie gibt es alles in Gehdistanz um die Cité herum; das kleine Kodaklabor auf der Rue St. Antoine verkauft und entwickelt schnell s/w analoge Filme mit Kontaktbögen. Und sehr gut: Picto für Ausbelichtungen, L’Atelier Publimodfür analoge Handabzüge.
5. Das sollte man unbedingt von zu Hause mitbringen:
  Ein paar unverzichtbare Arbeitsutensilien kann man in einer Schachtel vorab per Post mit seiner Ateliernummer zur Cité schicken.
Bücher (falls man kein E-Book mitnimmt)
– gibt es bei der letzten deutschen Buchhandlung in der Stadt, die sehr klein, aber auch sehr gut sortiert ist; sie macht auch Veranstaltungen: Rue du Sommerard, 1050 Paris
– und bei „Shakespeare“ gegenüber der Notre Dame, auch auf der linken Seine-Seite. Eine Institution, noch dazu mit extrem langen Öffnungszeiten und kleinem Café dabei.
6. Zum Thema Kunst an meinem Residency-Ort:
  Lafayette Anticipations ist ein noch relativ neuer Ort für zeitgenössische Kunst (umgebaut von Rem Kohlhaas) mit dem Anspruch, ganz am Puls zu sein, artsy Publikum. Ist nah zum Centre Pompidou. Von den großen Museen und Ausstellungshäusern wie Musée d’Orsay, Louvre (außer dem Stockwerk mit der Mona Lisa meistens ziemlich leer) sollte man das Centre Pompidou nicht vergessen. Die Sammlung ist großartig.
Jeu de Paume, und um die Ecke von der Cité das MEP – Maison Européenne de la Photographie. Aber die Liste lässt sich endlos fortsetzen, die tollen Galerien gar nicht mitgerechnet.
7. Rund um das Auslandsatelier – hier kaufe ich ein, hier trinke ich Kaffee und hier gibt’s den besten Mittagsteller in Laufdistanz:
  Ausprobieren!
Guter Kaffee (nicht ganz so einfach in Paris) vielleicht in der Caféotheque (eigene Rösterei) gleich unten am Eck – an der Bar statt „sur place“ ist es in Paris meistens günstiger.
Auf dem Weg zu Picto, dem Fotolabor gibt es bei der Bastille in der versteckten grünen Gasse Cour Damoye auch eine ganz kleine Kaffeerösterei, und wenn einem der Pariser Stress schon zusetzt, ist dies ein Ort herrlicher Ruhe und Abgeschiedenheit.
8. Den Tag lasse ich häufig hier ausklingen (Dinner, Drinks und bester Sound):
  Oder auch beginnen – und jederzeit zwischendurch …
Bei passablem Wetter an der Seine direkt unten bei der Pont Louis Philippe an den bunten Metalltischen direkt an der Seine, wo es Kaffee, Wein, Bier, Wasser, Sandwiches zu ganz untypisch niedrigen Preisen für Paris gibt.
Oder in der kleinen Bar „A Lot of Wine“ bei Baptiste, dem charmanten Besitzer, gleich bei der Rue Geoffroy L’Asnier rechts ums Eck.
9. Was ich eigentlich gerne schon am Beginn meiner Residency über das Atelier gewusst hätte:
  Von Beginn an immer mal einen Blick in das Postfach bei der Rezeption werfen, auch wenn man gar keine Post erwartet.
Alle Kommunikation der Cité läuft nur über Internet und Website – außer der Einladung zu einem ersten Zusammenkommen der jeweils „Neuen“ mit vielen Infos, Drinks und Buffet, die kommt ins Postfach. Ein guter Einstieg.


Website Künstler:in:              andreavanderstraeten.net