Annja Krautgasser
Mein Aufenthalt im Rahmen des Auslandsatelierprogramms in Vilnius war geprägt von intensiver künstlerischer Arbeit, einzelnen inspirierenden Begegnungen – aber auch von strukturellen Herausforderungen. Das Atelier liegt in einem bewaldeten Areal direkt an der Neris und bietet eine besondere Atmosphäre. Am Flussufer liegt ein kleiner Strand, und täglich ziehen Hunderte von Läufer:innen und Radfahrer:innen vorbei – Litauen ist in dieser Hinsicht ein äußerst sportliches Land.
Der Atelierraum selbst war großzügig und hell – ideal für konzentriertes Arbeiten. Gleichzeitig war der Alltag stark von Selbstorganisation geprägt, auch weil das soziale und kuratorische Umfeld nur punktuell Impulse setzte.
Künstlerische Arbeit vor Ort:
Im Mittelpunkt meines Aufenthalts stand die Weiterentwicklung meines Projekts The Archive of Absence: Ich arbeitete an Texten, sammelte Recherchematerialien, entwickelte neue filmische Skizzen und schrieb an der Struktur eines zukünftigen performativen Formats.
Gleichzeitig fehlte mir mit der Zeit der kritische Austausch mit anderen Kunstschaffenden. Auch wenn im Rupert-Gebäude drei Residency-Ateliers untergebracht sind, kam es nur selten zu Begegnungen. Die Besetzung wechselte häufig, die Aufenthaltsdauer war meist auf einen Monat begrenzt. Es wäre wünschenswert, künftig mehr strukturierten Austausch zu ermöglichen – etwa durch gemeinsame Präsentationen oder Ateliergespräche zu Beginn des Aufenthalts.
Neben den Residencies betreibt Rupert auch ein „Alternative Education Programme“, bei dem internationale Künstler:innen und Kurator:innen über sechs Monate an kollektiven Prozessen arbeiten. Ich bekam gelegentlich Einblick in diese spannende, offene Struktur.
Exkursionen & Umfeld:
Zwei kurze Reisen möchte ich hervorheben:
-
Nida & Kurische Nehrung: Die Dünen waren beeindruckend.
-
Riga, Lettland: Besonders eindrücklich war das Museum der Besatzung sowie die zahlreichen Jugendstilbauten in der Innenstadt. Auf dem Rückweg hielten wir noch beim Hill of Crosses – einem symbolisch aufgeladenen Ort voller Kreuze.
Alltag & Infrastruktur:
Vilnius ist technisch hervorragend organisiert: Viele Bereiche des Alltags laufen über digitale Systeme. Die Lage des Ateliers war landschaftlich reizvoll, aber infrastrukturell isoliert. Eine persönliche Anekdote: Die Gemeinschaftsküche war nur rudimentär ausgestattet – bis ich merkte, dass es sich um ein Induktionsfeld handelte und viele meiner Töpfe ungeeignet waren.
Mein Aufenthalt in Vilnius war in vielerlei Hinsicht wertvoll: Die Rückgezogenheit erlaubte künstlerische Konzentration, die Stadt bot wichtige inhaltliche Impulse, punktuelle Begegnungen öffneten neue Perspektiven. Zugleich zeigte sich, wie wichtig strukturierte Kommunikationsformate im Haus wären – insbesondere für internationale Gäste. Ich war in diesem Jahr die einzige österreichische Resident und hätte mir mehr Einbindung in das Rupert-Netzwerk gewünscht.
Ein geplanter Umzug des Ateliers ins Stadtzentrum könnte künftig vieles erleichtern: Zugang, Sichtbarkeit, soziale und kuratorische Anbindung.
1. | Mein Aufenthalt im Atelier in einem Wort: |
Durchwachsen – im besten wie im wörtlichen Sinne. Höhen und Tiefen, Sonne und Regen – und manchmal beides gleichzeitig. | |
2. | Dos & Don’ts an diesem Ort: |
Ein freundliches „Hallo“ ist zwar nett gemeint, bleibt aber meist unbeantwortet. Wer hier niemanden grüßt, macht also nichts falsch – das ist nicht unhöflich, sondern schlicht normal. | |
3. | Das fehlt mir/das vermisse ich, seit ich nicht mehr dort bin: |
Der Atelierraum war ein Traum – großzügig, ruhig, ideal zum Arbeiten. Leider steht dort ein Umzug an, also war’s wohl eine einmalige Gelegenheit. Und ja: die pinke Suppe! | |
4. | Super Arbeitsmaterial gibt’s hier zu kaufen: |
Ich habe leider nichts Entsprechendes gefunden. Was spezielle Materialien angeht, ist die Auswahl vor Ort eher begrenzt. Wer auf bestimmte Dinge angewiesen ist, sollte besser gut vorbereitet anreisen. Elektronik oder Technik-Zubehör bekommt man in den größeren Shopping-Malls bei Topos – das entspricht etwa dem, was bei uns MediaMarkt oder Saturn wäre. | |
5. | Das sollte man unbedingt von zu Hause mitbringen: |
Alles, was man zum Arbeiten braucht! | |
6. | Zum Thema Kunst an meinem Residency-Ort und wo ich die besten Ausstellungen besucht habe: |
• CAC – Contemporary Art Centre • Radvilų rūmai • Sapieha Palace • MO Museum • Nationale Kunstgalerie • SODAS 2123: Hier gibt’s auch gelegentlich Konzerte • Das ehemalige Gefängnis Lukiškių kalėjimas (ähnlich dem WUK – mit Ateliers, Veranstaltungen, Konzerten) |
|
7. | Rund um das Auslandsatelier – hier kaufe ich ein, hier trinke ich Kaffee und hier gibt’s das beste Mittagsmenü um die Ecke: |
Das Atelier liegt mitten im Wald – wirklich mittendrin. In der direkten Umgebung gibt es kaum Infrastruktur. Ein Café öffnet manchmal, aber nur bei gutem Wetter. Für Einkäufe oder Essen muss man in die Stadt fahren – ca. 40 bis 50 Minuten. Das soll sich aber bald ändern: Nach dem Umzug soll das Atelier direkt ins Zentrum verlegt werden. | |
8. | Den Tag lasse ich bei einem Dinner, Drinks, gutem Sound oder zum Networken häufig hier ausklingen: |
Im Haus gibt es gelegentlich Business-Techno-Partys – so ein- bis zweimal pro Woche. Wenn’s zu lange laut bleibt, wird man netterweise in einem Hotel in der Stadt untergebracht. In der Innenstadt gibt es viele tolle Bars, Cafés und Lokale – macht aber eigentlich nur Sinn, wenn man zu zweit oder mit mehreren hingeht. Bei Ausstellungseröffnungen gibt’s manchmal Drinks – aber eher zurückhaltend. Und ob sich eine soziale Dynamik unter den Residents entwickelt, hängt stark von den Menschen selbst ab. | |
9. | Was ich eigentlich gerne schon am Beginn meiner Residency über das Atelier gewusst hätte: |
• Die litauische Zurückhaltung ist keine Unhöflichkeit – Smalltalk oder Augenkontakt mit Fremden ist einfach nicht üblich. • In öffentlichen Bussen niemals die Stopptaste drücken – das signalisiert einen Notfall! • Alles läuft digital. Kartenzahlung ist Standard. Für Online-Bestellungen (Tickets etc.) werden nicht überall ausländische Bankkonten akzeptiert – eine Visa-Karte ist sehr hilfreich. • Wer mit dem Auto anreist, muss es vorher registrieren, sonst kann man die Parkplatz-Schranken nicht nutzen (Tipp: App „UniPark“). • Viele Supermärkte funktionieren ohne Personal – Self-Scan ist hier normal, also Geduld mitbringen und ein wenig Technikaffinität. • Supermärkte heißen: Iki, Maxima und Rimi. • Sowas wie MediaMarkt oder Saturn heißt hier Topos, ist aber nur in den größeren Shoppingmalls zu finden. |
Website Resident: annjakrautgasser.net