Iris Weigel
Nordingrå
Sturm über Stockholm; das Boot kann an meiner Haltestelle nicht anlegen. „We’ve never had this before“, sagt ein Passagier. Am nächsten Morgen Kanelbullar und eine Zufallsbegegnung: „Masha, was machst du hier?“ Sie lädt mich zu ihrer Performance ein. So beginnt mein dreimonatiger Schwedenaufenthalt.
Ein paar Tage später suche ich im Autovermietungsautomaten den Schlüssel für den Ford Puma und finde stattdessen mein erstes Bargeld auf dem Boden: Greta Garbo schaut verträumt an mir vorbei. Ich fahre die E4 Richtung Nordingrå. Die Konstby liegt zwischen Seen, Wäldern und handgemalten Schildern, die auf Flohmärkte, Kunst und Kaffee hinweisen.
Es wird gesagt, Nordingrå bestehe aus 52 Dörfern, 52 Seen und 52 Bergen. Die Terrasse bietet Ausblick auf einen der schönsten Seen. Alles wirkt intensiv: Blumen beobachten, Lichtwechsel wahrnehmen, verschiedenen Sprachen lauschen. Ich fühle mich sofort wohl zwischen bunten Möbeln, Letterpress-Plakaten und ersten Gesprächsfetzen. Den Tag starte ich auf der Terrasse mit Filterkaffee. Im Garten befindet sich eine Galerie, im unteren Teil des Hauses ein Café und ein kleiner Kunstladen, liebevoll betreut.
Zusammen mit Max erkunde ich die Gegend. Wir entdecken hinter jeder Ecke einen neuen, faszinierenden Flecken Erde. Auch Alltägliches wird interessant: Heuballenformungsprozesse. „Dürfen wir filmen?“ Ein Nicken. Keine Belustigung, kein Ärger, nicht einmal Irritation. Zwischendurch springen wir in den See. Außer uns und den Wasserläufern niemand dort. Dann wieder Arbeiten im Freien, im Atelier, später im dunklen Studio. Ich sammle Objekte, suche Verbindung, staple Holzklotz auf Stuhlbein, richte den Beamer aus, passe die Lichtsituation an.
„Machen wir eine gemeinsame Ausstellung?“ frage ich. Einige sind dabei, andere nicht. Wir einigen uns auf Resonance als Titel, entwerfen Plakate, schreiben Texte und verlieren uns in Detailtypografie und Formulierungen. Abends sitzen wir oft in der Gemeinschaftsküche. Eine meiner schönsten Erinnerungen: Wir löffeln Schokoeis aus der Packung und schmieden Ideen für Wohnungstausch zwischen Stockholm, Kopenhagen und Wien. Isabelle entdeckt Rilke-Gedichte in Deutsch und Schwedisch; wir lesen vor in der jeweils fremden Sprache: O liv, liv, förunderliga tid…
| 1. | Mein Aufenthalt im Atelier in einem Wort: |
| Intensiv | |
| 2. | Dos & Don'ts an diesem Ort: |
| - Achte auf die Jahreszeiten und ihre jeweiligen Möglichkeiten und Herausforderungen. Der Sommer ist definitiv die lebendigste Zeit. - Sorge für Mobilität: Wer sich ausschließlich auf öffentliche Verkehrsmittel verlässt, ist sehr eingeschränkt. |
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| 3. | Das fehlt mir/das vermisse ich, seit ich nicht mehr dort bin: |
| – Den morgendlichen Kaffee auf der Terrasse mit Weitblick – In den Arbeitspausen in den See zu springen – Die spontanen Gespräche und Begegnungen |
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| 4. | Super Arbeitsmaterial gibt’s hier zu kaufen: |
| Im Sommer gibt es überall private Flohmärkte. Einfach den „Loppis“-Schildern am Straßenrand folgen. Vielleicht ist etwas Passendes dabei… | |
| 5. | Das sollte man unbedingt von Zuhause mitbringen: |
| Je nach Projekt sollte vorher geklärt werden, was vor Ort ausgeliehen werden kann und was selbst mitzubringen ist. Im Sommer: Insektenschutz und Schlafmaske nicht vergessen! |
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| 6. | Zum Thema Kunst an meinem Residency-Ort und wo ich die besten Ausstellungen besucht habe: |
| Im Sommer findet die Nordingrå Konstrunda statt, bei der Galerien, Ateliers und Cafés ihre Türen öffnen. Wer das Event verpasst, kann sich am Flyer orientieren. Teilweise sind die Orte auch darüber hinaus geöffnet, oder ein Besuch kann vereinbart werden. |
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| 7. | Rund um das Auslandsatelier – hier kaufe ich ein, trinke Kaffee und finde das beste Mittagsmenü um die Ecke: |
| Es gibt einen Supermarkt, etwa fünf Kilometer von der Unterkunft entfernt. Liebevoll zubereitete Snacks, Kuchen und selbstgemachtes Eis findet man im hauseigenen Café. |
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| 8. | Den Tag lasse ich bei einem Dinner, Drinks, gutem Sound oder zum Networken häufig hier ausklingen: |
| Unsere Feierabende haben sich oft in der Gemeinschaftsküche abgespielt. Alternativ gab es Barbecues auf der Terrasse oder Picknicks am Meer. |
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| 9. | Was ich eigentlich gerne schon am Beginn meiner Residency über das Atelier gewusst hätte: |
| Es kann herausfordernd sein, sich immer wieder auf wechselnde Personen einzulassen, da nicht alle Residents gleichzeitig an- und abreisen. Es gibt nur einen Ruhetag des Cafés, daher ist immer etwas los. |
Website Resident: irisweigel.de