Kairo, Ägypten 01/25–03/25

Darja Shatalova

Im Rahmen von FREE AWAY.

Am Anfang kamen mir drei Monate in Ägypten unglaublich lang vor. Mein Flug nach Kairo Ende Dezember wurde von der Fluggesellschaft gestrichen und ich konnte zum ungefähr gleichen Preis in Hurghada landen. Ich schaute im starken Wind auf das Meer und auf einige verhüllte Frauen, die am Strand saßen und konnte nicht genau definieren, was das eigentlich alles bedeutet – für mich, für meine künstlerische Laufbahn, für mein Leben –, dass ich nun hier bin und was mich in den kommenden drei Monaten erwartet.

Im Januar reiste ich den Nil entlang Richtung Süden und schaute mir unzählige archäologische Ausgrabungen und Tempel an. Mit jeder neuen Anlage erkannte ich Zusammenhänge in den Darstellungen, der Architektur und unterschiedliche Grade der Erhaltung und Restauration. Zu Beginn kam mir alles unglaublich anstrengend vor, denn ich reiste alleine und wurde permanent und aufdringlich angesprochen, um bestimmte touristische Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, etwas zu kaufen und Trinkgeld zu geben. Es war ein seltsames Gefühl, ständig mit Menschen in Kontakt und im Zentrum der Aufmerksamkeit zu sein, aber nie über die tatsächlichen Eindrücke sprechen zu können. An den rasenden und hupenden Verkehr, den Müll auf den Straßen und den täglich fünfmaligen Ruf des Muezzins (besonders oft und laut am Freitag) musste ich mich eine Zeit lang gewöhnen.
Februar und März verbrachte ich in Kairo und das war ein guter Ausgleich, denn Kairo ist an sich multikultureller und natürlich eine Metropole, in der es manchmal auch angenehm ist, „in der Masse untertauchen zu können“. Es war auch schön, mit einem festen Wohnort mehr zur Ruhe zu kommen und trotz der unglaublichen Vielfalt ein bisschen Routine zu haben (bestimmte Straßen, die man immer wieder entlanggeht, Geschäfte, die man immer wieder besucht und die Menschen, die sich schon an dich erinnern und dich grüßen).

Durch den Kontakt zum Österreichischen Kulturforum war ich in Kairo gleich in eine unglaublich nette Gruppe eingebunden und fand endlich den Austausch, der mir im ersten Monat gefehlt hatte. Auch das Team der ARD Residency stand mir bei allen Fragen immer zur Verfügung und half Anliegen zu lösen. Sie stellten für mich auch ein umfangreiches Programm zusammen, was es in Kairo alles Sehenswertes gab, das war für einen Überblick sehr hilfreich.

Vor allem im Februar versuchte ich, mir möglichst viel anzuschauen und unterschiedliche Veranstaltungen zu besuchen, wobei das Angebot überwältigend war und es nie genug Zeit für alles gab.

Im März war Ramadan und ich war überrascht, wie sehr dieser Monat alles veränderte. Er hatte einen sehr kollektiven Charakter, alle Tagesabläufe, alle Werbung orientierten sich daran. Ab 16 Uhr war auf einmal alles geschlossen und ab 20 Uhr lebte die Stadt wieder auf bis in die späten Stunden, wobei Kairo generell auch eine Stadt ist, die nie schläft. In diesem Monat arbeitete ich hauptsächlich im Studio an meinem neuen Projekt und unternahm meistens nur Ausflüge, um bestimmte Materialien zu besorgen. Es stellte sich wirklich ein bisschen das Gefühl ein, dass dies mein Wohnort, ja Zuhause sei und wenn ich manchmal auf der Straße angesprochen wurde, sagte ich, dass ich hier lebe.

Ich glaube Ägypten im Allgemeinen und Kairo im Speziellen sind Orte, an denen es seine Zeit braucht, anzukommen und sich einzufügen. Es ist ein Prozess, den man nicht als ein Umschalten beobachten kann, sondern es ist eher ein fließender Übergang und man merkt dann im Alltag, dass man irgendwie mehr der Rhythmik und deUmgangsformen der Menschen folgt und dass man die Schönheit, Einzigartigkeit und Herzlichkeit spürt.

1. Mein Aufenthalt im Atelier in einem Wort:
  Transtemporal
2. Dos & Don’ts an diesem Ort:
  Do: Entspannt bleiben, aber bestimmt sein. Bei Dienstleistungen den Preis von Anfang an ausmachen. Man muss oft verhandeln und das sollte einen nicht nerven. „Hallas“ ist das Universalwort für „Es reicht, ich will nicht, lass mich in Ruhe,…“ – wird in touristischen Gegenden oft benötigt.
Don’t: Nicht zu sehr zögern, wenn man die Straßen in Kairo und anderen Großstädten überqueren möchte, Unschlüssigkeit irritiert die Fahrer. Die Aufdringlichkeit der Menschen, die dir etwas verkaufen oder Trinkgeld haben wollen, sollte man sich nicht zu sehr zu Herzen nehmen und einen entspannten Umgang damit finden.
3. Das fehlt mir/das vermisse ich, seit ich nicht mehr dort bin:
  Jeden Tag blauer Himmel. Mit dem Uber Roller durch die Stadt fahren. Überall die Straßen überqueren können (und Ampeln sind sowieso irrelevant). Die große Auswahl an frischem Obst und Gemüse auf dem Markt. Frisch gepresste Säfte in 1 L Flaschen in allen möglichen Variationen.
4. Super Arbeitsmaterial gibt’s hier zu kaufen:
  Auf Zamalek, rund um die Helwan University - Faculty of Fine Arts.
5. Das sollte man unbedingt von zu Hause mitbringen:
  Ich wüsste nicht was, man kann hier alles erwerben, was man benötigen könnte.
6. Zum Thema Kunst an meinem Residency-Ort und wo ich die besten Ausstellungen besucht habe:
  Für mich waren insbesondere archäologische Ausgrabungsstätte entlang des Nils und Museen der ägyptischen Zivilisation interessant, in Kairo z.B. das Grand Egyptian Museum. Außerdem war ich sehr von traditioneller islamischer Kunst und Architektur fasziniert, z.B. das Museum of Islamic Art und die Al Muizz Street in Kairo. Zeitgenössische kommerzielle Galerien findet man hauptsächlich auf Zamalek. Es gibt immer wieder spannende Events, die einen Festival-Charakter haben (es gibt ein umfangreiches Programm über mehrere Tage).
7. Rund um das Auslandsatelier – hier kaufe ich ein, hier trinke ich Kaffee und hier gibt’s das beste Mittagsmenü um die Ecke:
  Einige Minuten entfernt gibt es mehrere kleinere Shops, ca. 20 min entfernt ist der nächste Markt. Für einige ausgewählte Produkte bin ich zu Spinneys gegangen (4 km). Empfehlenswert sind die Saftbars an jeder Ecke.
8. Den Tag lasse ich bei einem Dinner, Drinks, gutem Sound oder zum Networken häufig hier ausklingen:
  Kairo folgt einem ganz anderen Tagesrhythmus, auch die Arbeitswoche beginnt mit dem Sonntag und im März war mit Ramadan die Zeitstruktur nochmal völlig anders. Meistens schaute ich mir tagsüber möglichst viel an und arbeitete abends im Studio..
9. Was ich eigentlich gerne schon am Beginn meiner Residency über das Atelier gewusst hätte:
  Es wurde neben dem Atelier auch die Unterkunft im gleichen Haus zur Verfügung gestellt. Ich hatte keine genaue Vorstellung, was mich erwartet, aber es war alles modern eingerichtet und sauber. Es gibt keine Werkstatt, aber man kann sich für die Anfertigung spezieller Arbeiten an das Team wenden, um Empfehlungen für Orte der Herstellung zu erhalten.

 



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